Dienstag, 15. April 2014

Haftung von Vorstandsmitgliedern einer AG für Prospektfehler

Zur Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für Prospektfehler hat das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Urteil vom 27.03.2014 (Az.: 6 O 5383/13) ausgeführt:

Die Beklagten haften für den fehlerhaften Prospekt gemäß § 13 VerkProspG a.F. i.V.m. § 44 Abs. 1 BörsG a.F.

1.
Die Prospektverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder ergibt sich nicht daraus, dass sie gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BörsG a.F. für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben. Anknüpfungspunkt der Haftung ist namentlich nicht, dass die Beklagten auf S. 160 den Abschnitt "Verantwortlichkeit", der der Vorschrift des § 5 Abs. 4 WpPG Rechnung trägt, unterschrieben haben. Denn sie handelten nach dem unmissverständlichen Wortlaut nicht in eigenem Namen und übernahmen damit nicht persönlich Verantwortung. Es handelt sich um eine Erklärung der Emittentin, die eben allein durch die Vorstandsmitglieder handlungs- bzw. artikulationsfähig ist. So heißt es auszugsweise:

"Die Emittentin, vertreten durch den Vorstand [.] die Herren [.] übernimmt gemäß § 5 Abs. 4 Wertpapierprospektgesetz die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts."

Diese am Wortlaut orientierte Auslegung steht auch im Einklang mit den Ausführungen im Entwurf zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz aus dem Jahr 1997 (BT-Drs. 13/8933, S. 78). Dort sind mit Blick auf die Verantwortlichen gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BörsG - neben den die Emission begleitenden Instituten - der Emittent als "Unterzeichner des Prospekts" genannt. Dementsprechend dürfte auch in der Literatur zu der Verantwortlichkeitsklausel des § 5 Abs. 4 WpPG einhellige Meinung sein, dass die Vorstandsmitglieder der Anbieter nicht zum Adressatenkreis gehören (vgl. etwa Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, WpPG/VerkProspG, 2. Aufl. 2010, § 5 WpPG Rn. 45).

2.
Die Beklagten haften jedoch gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG a.F. (i.V.m. § 13 VerkProspG a.F.) persönlich, weil der Erlass der Prospekt von ihnen ausging.

Inwieweit Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft für Prospektfehler persönlich haften, ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, weil die Beklagten nach den beiden hierzu vertretenen Ansichten haften:

2.1
Zahlreiche Stimmen in der Literatur treten dafür ein, für den Begriff des Prospektveranlassers im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG a.F. die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Prospekthaftung im engeren Sinne zu übernehmen (so ausdrücklich Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 12.178; Fleischer, BKR 2004, 339, 344; wohl im Ergebnis ebenfalls Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, a.a.O., § 13 VerkProspG Rn. 74).

Der BGH hatte - im Zusammenhang mit dem Beitritt von Anlegern zur sog. Publikums-KG - die persönliche Verantwortlichkeit im Rahmen der Prospekthaftung im engeren Sinne auf Initiatoren und Gründer, die "das Management bilden oder beherrschen" (NJW 1978, 1625; 1981, 1449, 1450) entwickelt. Später sprach er auch von "Gestaltern der Gesellschaft" (NJW 1982, 1514; NJW 1995, 1025). Als Anknüpfungspunkt genügte dem BGH die Tatsache, dass diese Personen für die "Geschicke der Gesellschaft" und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich waren (BGH, a.a.O.). Daneben betonte der BGH immer, dass auch Personen, die hinter der Komplementär-GmbH und der Publikums-KG standen und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausübten, Mitverantwortung tragen müssten (NJW 1981, 1449, 1450; 1982, 1514).

Für die von der Literatur vertretene Ansicht, die bisherige Rechtsprechung auch bei der gesetzlichen Prospekthaftung zu beachten, spricht der bereits oben benannte Gesetzentwurf, wonach die Bestimmung der Prospektverantwortlichkeit "in Übereinstimmung mit der bereits geltenden Rechtslage" erfolgen soll (a.a.O., S. 78).

Demnach wären die Beklagten als Vorstandsmitglieder der Emittentin und damit (Mit-)Gestalter der Gesellschaft grundsätzlich als haftende Prospektveranlasser gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG anzusehen. Dabei verkennt die Kammer die gesellschaftsrechtlichen Unterschiede nicht: Die Rechtsprechung des BGH erging zur Publikums-KG, also einer Personengesellschaft, bei der der Komplementär als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft - getreu dem im Personengesellschaftsrecht geltenden Grundsatz der Selbstorganschaft - selbst Gesellschafter ist, wogegen die AG eine Körperschaft ist und das Vorstandsmitglied einer AG nicht zwingend deren Mitglied sein muss.

2.2
Nach der Gegenansicht ist der Begriff des Prospektveranlassers im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG enger auszulegen. Verantwortlich sind demnach die tatsächlichen Urheber des Prospekts, die ein "eigenes wirtschaftliches Interesse" an der Emission hegen (vgl. u.a. Oulds in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 15.210). Ähnlich benennt der BGH (Urteil vom 18.09.2012, XI ZR 344/11; zur Haftung des Mehrheitsgesellschafters einer Konzernmuttergesellschaft) als Verantwortliche im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG diejenigen, die - neben entsprechenden Einflussmöglichkeiten - ein "eigenes wirtschaftliches Interesse" an der Emission haben. Dann, so der BGH weiter, sei ausschlaggebend, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht wurde; nicht entscheidend sei, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospekts gegeben sei. Auch der BGH nimmt auf den bereits benannten Gesetzentwurf Bezug, in dem es weiter heißt, dass es sich bei den Prospektveranlassern "typischerweise" um Personen handelt, die an der Emission ein eigenes wirtschaftliches Interesse haben.

Auch nach dieser Maßgabe wären die Beklagten gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG verantwortlich: Als Vorstandsmitglieder verfügten sie unproblematisch über den geforderten Einfluss. Auch das zusätzliche wirtschaftliche Eigeninteresse ist gegeben. Der Vorstand ist - gleichsam naturgemäß- an der erfolgreichen Emission schon interessiert, um das Vorstandsamt mit entsprechenden Bezügen weiter ausüben zu können und eine (vorzeitige) Abberufung durch den Aufsichtsrat nicht fürchten zu müssen. Unerheblich bleibt damit, ob das Vorstandsmitglied darüber hinausgehend noch weiter an der erfolgreichen Platzierung partizipiert, etwa durch vertraglich zugesicherte Boni o.ä.