Donnerstag, 27. März 2014

Unzulässige Bearbeitungsgebühren bei Darlehensverträgen

Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von sog. Bearbeitungsgebühren ist nach wie vor in Deutschland sehr gespalten. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem Berufungsurteil vom 27.01.2014 (Az.: 6 S 3714/13) entschieden, dass Bearbeitungsgebühren als allgemeine Geschäftsbedingung und sog. Preisnebenabrede zu qualifizieren sei. Als solche halte sie einer Kontrolle nicht stand. Zur Begründung stützt sich das Landgericht Nürnberg-Fürth hauptsächlich auf den vielbeachteten Aufsatz von Schmieder (WM 2012, 2358). Schwerpunkt des Urteils sind jedoch die Ausführungen zur Verjährungssituation. Hierzu führt das Landgericht u.a. aus:

"Nach Ansicht des Gerichts bestand jedoch bis zum Aufsatz von Nobbe in der WM vom 02.02.2008 keine unklare Rechtslage. Vielmehr wurden bis dahin Bearbeitungsentgelte von der Rechtsprechung als zulässig angesehen (vgl. Nachweise bei Billing, WM 2013, 1777, 1777 f.). In seinem Aufsatz stellte Nobbe, der zu dem Zeitpunkt Vorsitzender des Bankenrechtssenats des BGH war und als solcher im Aufsatz auch benannt wurde, Bearbeitungsentgelte nunmehr aber als AGB-rechtlich unzulässig dar (WM 2008, 185, 193 f.). Die Folge war, dass ab diesem Zeitpunkt selbst für einen rechtskundigen Dritten, sprich Rechtsanwalt,  nicht mehr klar war, ob eine Klage auf Rückzahlung von gezahlten Bearbeitungsentgelten im Hinblick auf die alte Rechtsprechung keine Aussicht auf Erfolg haben würde oder aber vor dem Hintergrund der neuen Haltung des Vorsitzenden des Bankenrechtssenats potentiellen Mandanten zu empfehlen war. Die Rechtslage wurde damit unsicher und zweifelhaft, was in entsprechender Anwendung des oben dargelegten Rechtsgedanken zwar zu keinem hinausgeschobenen Verjährungsbeginn, wohl aber zu einer Verjährungshemmung führte.

Vor dem Aufsatz von Nobbe haben sich Kreditinstitute aufgrund der unzweideutigen Haltung der Rechtsprechung darauf einstellen können, von Anlegern (zumindest nach Ablauf der Regelverjährungsfrist) nicht zur Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten in Anspruch genommen werden zu können. Diese Rechtssicherheit wurde ihnen – um es mit den Worten Billings (a.a.O., S. 1778) auszudrücken – „gewissermaßen schlagartig“ durch die Veröffentlichung des Aufsatzes des Vorsitzenden des Bankenrechtssenats genommen. Ab diesem Zeitpunkt war ihnen klar, dass sich die Rechtsprechung ändern könnte. Sie konnten und durften sich mithin nicht mehr darauf einstellen, dass mit dem regulären Ablauf der Verjährungsfrist mit keinen Rückforderungen von Kundenseite mehr zu rechnen sei. Von einem vorsichtigen und vorausschauenden Kreditinstitut hätte vielmehr erwartet werden können, seine Kreditgebührenpraxis kritisch zu hinterfragen, wenn nicht gar Rückstellungen für mögliche Rückforderungen zu tätigen.

Der von der Beklagten gezogene Vergleich zu den Urteilen des BGH vom 15.06.2010 (NJW-RR 2010, 1574) und vom 26.09.2012 (Az.: VIII ZR 249/11; zitiert nach BeckRS 2012, 21994) geht daher fehl, da die zugrunde liegenden Sachverhalte unterschiedlich sind: In seinem Urteil vom 15.06.2010 hat der BGH klargestellt, dass eine Verjährung anzunehmen sei, weil im streitgegenständlichen Vertrag – anders als es das Berufungsgericht annahm – gerade keine Lücke bestanden habe (NJW-RR 2010, 1574, 1575). Mit der unsicheren Rechtslage in Bezug auf die Behandlung von Bearbeitungsgebühren hat der entschiedene Fall mithin nichts zu tun. Im Urteil vom 26.09.2012 begründet der BGH, dass bereits aufgrund seiner älteren Rechtsprechung einem rechtskundigen Dritten hätte klar werden müssen, dass die streitgegenständliche Klausel einer AGB-Kontrolle nicht standhalten würde (BeckRS 2012, 21994, Rz. 47). Die neue (zu erwartende) Haltung des BGH zur Frage der Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten lässt sich aber aus dessen alter Rechtsprechung gerade nicht ableiten.

Nicht zu folgen ist der Begründung des OLG Brandenburg in seinem bereits oben angesprochenen Urteil vom 11.12.2013 (Az.: 4 U 83/13; zitiert nach BeckRS 2013, 22390), die zusammengefasst lautet: Weil 2010 viele Kunden Klage gegen ihre Bank erhoben haben, war die Klageerhebung insgesamt zumutbar. Die Argumentation ist induktiv. Vergegenwärtigt man sich außerdem die Prozessrisiken im Zusammenhang mit Rückforderungsklagen, wird deutlich, dass die Klageerhebung tatsächlich unzumutbar war: So belaufen sich etwa im vorliegenden Fall die Prozessrisiken bei einem Streitwert von 1.451,00 € für die 1. Instanz auf 867,36 € und für die Berufungsinstanz gar auf 1.202,20 € (RVG-Gebühren bis 31.07.2013). Womöglich lag den erhobenen Klagen Rechtsschutz oder eine fehlerhafte anwaltliche Beratung zugrunde. Weswegen die Klagen erhoben wurden, ist letztlich Spekulation und kann über die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit keine Aufschlüsse liefern. Entgegenzutreten ist auch der Ansicht des LG Bonn im oben angesprochenen Urteil vom 11.07.2013 (Az.: 8 S 91/13; zitiert nach BeckRS 2013, 15194), das lediglich die negative Definition enthält, wann eine Rechtslage nicht schwierig und verwickelt ist. Dem Amtsgericht Mannheim (Az.: 3 C 465/12; zitiert nach BeckRS 2013, 04368) ist zwar beizupflichten, dass eine unter verschiedenen OLG streitige Rechtsfrage nicht per se zu einem Aufschub des Verjährungsbeginns führen kann. Tatsächlich geht es vorliegend jedoch – wie ausgeführt – um eine Unklarheit ausgelöst vom BGH bzw. eines seiner Vorsitzenden selbst.

Das Gericht kommt damit zu dem Ergebnis, dass der Verjährungsbeginn zwar nicht von Anfang an herausgeschoben wurde, sondern bis zur Publikation des Aufsatzes von Nobbe lief. Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes am 02.02.2008 wurde sie jedoch gehemmt. Eine Beendigung der Hemmung ist frühestens 2011 eingetreten, als klar wurde, dass die obergerichtliche Rechtsprechung der Auffassung Nobbes folgte.

Die Notwendigkeit Rechtsfrieden zu schaffen, steht der skizzierten Rechtsauffassung des Gerichts nicht entgegen. Rechtsfrieden tritt im Hinblick auf § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB spätestens zehn Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages ein. Diese Frist ist den Kreditinstituten auch zumutbar, nachdem ihnen mit der Sonderhemmungsvorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB eine ebenfalls 10jährige Frist zur Seite steht."