"Nach
Ansicht des Gerichts bestand jedoch bis zum Aufsatz von Nobbe in der WM vom 02.02.2008 keine unklare Rechtslage. Vielmehr
wurden bis dahin Bearbeitungsentgelte von der Rechtsprechung als zulässig
angesehen (vgl. Nachweise bei Billing,
WM 2013, 1777, 1777 f.). In seinem Aufsatz stellte Nobbe, der zu dem Zeitpunkt Vorsitzender des Bankenrechtssenats des
BGH war und als solcher im Aufsatz auch benannt wurde, Bearbeitungsentgelte
nunmehr aber als AGB-rechtlich unzulässig dar (WM 2008, 185, 193 f.). Die Folge
war, dass ab diesem Zeitpunkt selbst für einen rechtskundigen Dritten,
sprich Rechtsanwalt, nicht mehr klar
war, ob eine Klage auf Rückzahlung von gezahlten Bearbeitungsentgelten im
Hinblick auf die alte Rechtsprechung keine Aussicht auf Erfolg haben würde oder
aber vor dem Hintergrund der neuen Haltung des Vorsitzenden des
Bankenrechtssenats potentiellen Mandanten zu empfehlen war. Die Rechtslage wurde
damit unsicher und zweifelhaft, was in entsprechender Anwendung des oben
dargelegten Rechtsgedanken zwar zu keinem hinausgeschobenen Verjährungsbeginn,
wohl aber zu einer Verjährungshemmung führte.
Vor
dem Aufsatz von Nobbe haben sich
Kreditinstitute aufgrund der unzweideutigen Haltung der Rechtsprechung darauf
einstellen können, von Anlegern (zumindest nach Ablauf der
Regelverjährungsfrist) nicht zur Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten in
Anspruch genommen werden zu können. Diese Rechtssicherheit wurde ihnen – um es
mit den Worten Billings (a.a.O., S.
1778) auszudrücken – „gewissermaßen schlagartig“ durch die Veröffentlichung des
Aufsatzes des Vorsitzenden des Bankenrechtssenats genommen. Ab diesem Zeitpunkt
war ihnen klar, dass sich die Rechtsprechung ändern könnte. Sie konnten und
durften sich mithin nicht mehr darauf einstellen, dass mit dem regulären Ablauf
der Verjährungsfrist mit keinen Rückforderungen von Kundenseite mehr zu rechnen
sei. Von einem vorsichtigen und vorausschauenden Kreditinstitut hätte vielmehr
erwartet werden können, seine Kreditgebührenpraxis kritisch zu hinterfragen,
wenn nicht gar Rückstellungen für mögliche Rückforderungen zu tätigen.
Der
von der Beklagten gezogene Vergleich zu den Urteilen des BGH vom 15.06.2010
(NJW-RR 2010, 1574) und vom 26.09.2012 (Az.: VIII ZR 249/11; zitiert nach BeckRS 2012, 21994) geht daher fehl, da die zugrunde liegenden Sachverhalte
unterschiedlich sind: In seinem Urteil vom 15.06.2010 hat der BGH klargestellt,
dass eine Verjährung anzunehmen sei, weil im streitgegenständlichen Vertrag –
anders als es das Berufungsgericht annahm – gerade keine Lücke bestanden habe
(NJW-RR 2010, 1574, 1575). Mit der unsicheren Rechtslage in Bezug auf die
Behandlung von Bearbeitungsgebühren hat der entschiedene Fall mithin nichts zu
tun. Im Urteil vom 26.09.2012 begründet der BGH, dass bereits aufgrund seiner
älteren Rechtsprechung einem rechtskundigen Dritten hätte klar werden müssen,
dass die streitgegenständliche Klausel einer AGB-Kontrolle nicht standhalten
würde (BeckRS 2012, 21994, Rz. 47). Die neue (zu erwartende) Haltung des
BGH zur Frage der Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten lässt sich aber aus
dessen alter Rechtsprechung gerade nicht ableiten.
Nicht
zu folgen ist der Begründung des OLG Brandenburg in seinem bereits oben angesprochenen
Urteil vom 11.12.2013 (Az.: 4 U 83/13; zitiert nach BeckRS 2013, 22390), die zusammengefasst
lautet: Weil 2010 viele Kunden Klage gegen ihre Bank erhoben haben, war die
Klageerhebung insgesamt zumutbar. Die Argumentation ist induktiv. Vergegenwärtigt
man sich außerdem die Prozessrisiken im Zusammenhang mit Rückforderungsklagen,
wird deutlich, dass die Klageerhebung tatsächlich unzumutbar war: So belaufen
sich etwa im vorliegenden Fall die Prozessrisiken bei einem Streitwert von
1.451,00 € für die 1. Instanz auf 867,36 € und für die Berufungsinstanz gar auf
1.202,20 € (RVG-Gebühren bis 31.07.2013). Womöglich lag den erhobenen Klagen
Rechtsschutz oder eine fehlerhafte anwaltliche Beratung zugrunde. Weswegen die
Klagen erhoben wurden, ist letztlich Spekulation und kann über die Zumutbarkeit
oder Unzumutbarkeit keine Aufschlüsse liefern. Entgegenzutreten ist auch der
Ansicht des LG Bonn im oben angesprochenen Urteil vom 11.07.2013 (Az.: 8 S
91/13; zitiert nach BeckRS 2013, 15194), das lediglich die negative
Definition enthält, wann eine Rechtslage nicht schwierig und verwickelt ist. Dem Amtsgericht Mannheim (Az.:
3 C 465/12; zitiert nach BeckRS 2013,
04368) ist zwar
beizupflichten, dass eine unter verschiedenen OLG streitige Rechtsfrage nicht
per se zu einem Aufschub des Verjährungsbeginns führen kann. Tatsächlich geht
es vorliegend jedoch – wie ausgeführt – um eine Unklarheit ausgelöst vom BGH
bzw. eines seiner Vorsitzenden selbst.
Das
Gericht kommt damit zu dem Ergebnis, dass der Verjährungsbeginn zwar nicht von
Anfang an herausgeschoben wurde, sondern bis zur Publikation des Aufsatzes von Nobbe lief. Seit der Veröffentlichung
des Aufsatzes am 02.02.2008 wurde sie jedoch gehemmt. Eine Beendigung der
Hemmung ist frühestens 2011 eingetreten, als klar wurde, dass die obergerichtliche
Rechtsprechung der Auffassung Nobbes
folgte.
Die Notwendigkeit
Rechtsfrieden zu schaffen, steht der skizzierten Rechtsauffassung des Gerichts
nicht entgegen. Rechtsfrieden tritt im Hinblick auf § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB
spätestens zehn Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages ein. Diese Frist
ist den Kreditinstituten auch zumutbar, nachdem ihnen mit der
Sonderhemmungsvorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB eine ebenfalls 10jährige
Frist zur Seite steht."